Ausstellung

A Body That Lasts

Marianne Vlaschits

06. 11. - 25. 02. 2021

In Marianne Vlaschits aktueller Installation in der Fünfzigzwanzig unter dem Titel „A Body That Lasts” (6.11.2020 – 16.1.2021) begegnet uns im Raum ein Ausstellungssetting aus drei üppigen Körperkonstruktionen, die zu Trägerinnen einzelner Arbeiten (Öl auf Leinwand) werden. Die runden Formen mit ihren angedeuteten Gliedmaßen verweisen auf Körper menschlichen Ursprungs, dennoch sind sie scheinbar Wesen aus einer anderen Zeit und Dimension. Wie Raumschiffe, die mühevoll auf der Erde gelandet sind und sich nun im Zustand der Hibernation befinden, erzählen diese Wesen anhand der Abbilder auf ihren Leibern Geschichten über ihr Dasein. Sie zeigen uns Bilder von anderen Planeten mit amorpher Vegetation und mehreren Monden, von sich umschlingenden Lebewesen, die wie zukünftige Symbionten eine kollektive Form mit ihrer Umgebung eingegangen sind. Gereist sind diese Wesen durch Portale, die an menschliche Körperöffnungen oder Fruchtknoten von Pflanzen erinnern.

„Vielleicht, und nur vielleicht, und nur durch großes Engagement und intensive kollaborative Arbeit (...) mit anderen Erdlingen, ist das Gedeihen von reichhaltigen, artenübergreifenden Gefügen (...) weiterhin möglich. Dies alles nenne ich das Chtuluzän – vergangen, gegenwärtig, kommend“, beschreibt Donna Haraway das anbrechende Zeitalter, welches in naher Zukunft einen möglichen Ausweg bilden soll. Nur in der Sympoiesis – im Zusammenwirken mehrerer Lebensformen – sei das neue kooperative System im Zeitalter des Chtuluzän denkbar. Ein System, welches nicht auf den jeweiligen Vorteil einer Spezies abzielt, sondern auf das artenübergreifende Überleben im Allgemeinen.

„Die Apokalypse naht!“ ist jene der fortdauernden Leitaussagen, die uns tagtäglich in Angst und Schrecken versetzt und eher auf den aktuellen Zustand verweist, als auf etwas Zukünftiges. Wir befinden uns in einer Endlosschleife der Enden, einer immerwährenden apokalyptischen Rede (Derrida), obwohl der Begriff ursprünglich Enthüllung oder Offenbarung (griechisch ἀποκάλυψις „Enthüllung“) bedeutet und zunächst nicht auf ein Ende von etwas verweist.

Es könnte sein, dass die schlafenden Wesen dem Orakel des neolithischen Hypogäums entsprungen sind (Hypogäum von Hal Saflieni, Malta 3600 – 2500 v.Chr.), in welchem man winzig kleine Figuren von üppigen schlafenden Frauen fand. Das unterirdische, drei stöckige Höhlenlabyrinth auf Malta besteht aus 23 kleinen Tempelanlagen, wobei die Orakelkammer und der unterste Tempel das Zentrum bilden. Die Wände und Decken sind mit ockerfarbenen Malereien verziert, die gewundene Rankenmuster, Scheiben, Sechsecke und Spiralen darstellen. Wofür dieser Ort genau genutzt wurde, ist noch unklar, doch vermutet man, dass die schlafenden Wesen in einer Art spirituellen Transformationsphase dargestellt sind.

Lasst sie uns wecken, diese Wesen, oder finden ihre Visionen dann ein Ende?

So möchte man glauben, dass Marianne Vlaschits Schlafende von einer Zukunft berichten, die uns bevorsteht. Doch der Ruhezustand dieser Wesen deutet nicht nur auf eine Erholungsphase einer bereits getätigten Reise hin, sondern auch auf ihren nächsten Aufbruch in noch nicht bekannte Welten. Sie befinden sich in einer Zwischenstation von bereits Dagewesenem und noch nicht Erzähltem. Sie berichten in ihrem Zustand fortwährender Trägheit von der Welt der Imagination und der Utopie einer Gegenwart zugleich.

Text: Karolina Radenkovic