Ausstellung

Enar de Dios Rodríguez

Ecotone

Eröffnung am 10.11.23, 17-22h

10. 11. - 19. 01. 2024

Ecotone ist eine Ausstellung. Oder besser gesagt: Es ist ein audiovisueller Essay, der in 6 Abschnitte unterteilt ist, die im Ausstellungsraum platziert wurden. Um es noch präziser zu formulieren: "Ecotone" besteht aus Wörtern und Bildern, die wirken, als hätte man sie auf Bildschirmen verstreut, um sie an dieser Stelle zur Schau zu stellen. Sie warten hier auf dich.

An einem anderen Ort – im Wörterbuch – wird das „Ökoton“ als ein Übergangsbereich zwischen zwei benachbarten ökologischen Verbänden definiert, als ökologischer Randbereich, der in großen wie in kleinen räumlichen Kontexten vorzufinden ist. Aus Sicht von Biolog*innen ist das „Ökoton“ auch der Ort eines Zusammentreffens: Man denke etwa an eine Küste, wo das Wasser und das Land aufeinanderstoßen und sich gegenseitig umformen. Wie Astrida Neimanis darlegt, markiert das „Ökoton“ weniger die Verknüpfung zweier Entitäten; in erster Linie sei es ein Schauplatz des Werdens und Assemblierens, aber ebenfalls des Auseinanderstrebens und der Vervielfältigung. Neimanis zufolge ist „ein Ökoton auch eine Art Membran: ein Innehalten, aber genauso eine Beschleunigung; hier/dann/derart wird Materie auf eine andere Weise bedeutsam“.(1)

Die Erzählstimme in dieser Ausstellung spricht vom Potential der Membran, vom Drang, im Dazwischen zu verbleiben, von der Notwendigkeit, der Materie anders Bedeutung zu verleihen. Es ist eine Stimme, die einen Grenzbereich überträgt: Sie platziert dich inmitten einer Reihe von Telefongesprächen, bei denen immer ein Teil des Dialogs fehlt. Die Stimme spricht zu dir. Sie erklärt dir, dass es für das Ziehen einer Grenze zunächst der Teilung des Raums bedarf. Sie konstatiert, dass es Praktiken der Kontrollausübung gibt, die auf Räume angewandt werden, um deren Teilung aufrechtzuerhalten. Sie fragt sich unablässig, wie diese Fragmentierung zustande kam, und wie sie Wahrnehmungs-, Interaktions- und Verhaltensweisen beeinflusst.

Es ist ok, sich in dieser Erzählung zu verlieren. Sie folgt nichts desto trotz einer Chronologie. Eigentlich beziehen sich alle hier zu hörenden Gespräche auf eine jeweils spezifische Form der Fragmentierung des Raums, auf eine spezielle Art von Feld. Und sie sind in einer Reihenfolge angeordnet: von Groß nach Klein. Von einem Ökoton in der Zentralafrikanischen Republik – einem enormen Naturschutzgebiet, das mittels einer riesigen Anordnung von Kamerafallen erfasst wurde – bis zur Agrarfläche, deren Grenzen den Raum der Gewinnerwirtschaftung einhegen und deren Satellitenbilder eine hinreichende Beschreibung ihrer Erscheinung sind. Vom Privatraum als Feld, das unablässig überwacht wird mittels kleiner tragbarer Maschinen bis zum Körperinneren als noch kleinerem Raum, der gleichermaßen beobachtet, gescanned, analysiert und erschlossen wird. All diese Themenfelder werden eingefasst durch eine Einleitung – ein ziemlich abstraktes Vorwort – und eine allerletzte Nachricht, einen abschließenden Epilog, in dem es heißt: „Weißt du, der Berg war schon immer eine Welle.“ Es ist ein Manifest.

Es ist eine Kritik. Kritisiert werden der Reduktionismus, Dualismen, der Kapitalismus, Überwachung und Taxonomien, die Geschichte, die Obrigkeiten, der Mechanismus, demzufolge ein einzelner Klick eine Abfolge unsichtbarer Ungerechtigkeiten anstoßen kann, und die Art und Weise, wie Formulare ausgefüllt werden müssen. Ebenfalls in die Kritik geraten die Akkuratesse, fiepende Barcodes, die Formensprache von Landkarten, Werkzeuge für die Ausmessung von Formen, die Eugenik, die Logik des Entweder/Oder und der Akkumulation, der Fortschritt, Personen, die sich Letzterem verschrieben haben (wie auch immer sie heißen), Dünger, Sprengstofffabriken, Ausbeutung, die Beschirrung und die Stabilität – auch die einer uns aufoktroyierten Zukunft. Und kritisiert wird wohl auch, dass man nicht die Stirn runzelt, dass man nicht im Hier und Jetzt ist.

Aber du bist ja hier, ebenso wie „Ecotone“. Und genau an diesem Limes, wo das, was kommuniziert werden will, und das, was verstanden wird, aufeinandertreffen, findet diese Ausstellung statt. Glücklicherweise lässt sich all das mit diesen Worten nur unzureichend beschreiben.

(1) Astrida Neimanis, „Hydrofeminism: Or, On Becoming a Body of Water“. In: Henriette Gunkel, Chrysanthi Nigianni und Fanny Söderbäck (Hrsg.), Undutiful Daughters: Mobilizing Future Concepts, Bodies and Subjectivities in Feminist Thought and Practice. New York: Palgrave Macmillan, 2012. S. 85–99, hier S. 93.