Ausstellung

Fahren ohne Ticket - In den Zwischenräumen der Sprache

Gruppenausstellung mit Maria Anwander, Ricarda Denzer, Happy Akegbeleye/Petja Dimitrova, Omar Kasmani, Sajan Mani, Marisa Maza, Lisl Ponger, Anike Joyce Sadiq und Moira Zoitl

23. 10. - 20. 12. 2024

„Das Gefühl, in einem fremden Land zu sein, ist wie Fahren ohne Ticket. Es ist ein Gefühl des Nicht-Dazugehörens.“

Der Ausstellungstitel Fahren ohne Ticket—in den Zwischenräumen der Sprache wurde inspiriert durch die Geschichte von Sara Bf, „Mein Frau-Sein wurde hier zur größten Schwierigkeit meines Lebens“, erschienen in: Das ist meine Geschichte. Frauen im Gespräch über Flucht und Ankommen, die vom Kollektiv Polylog herausgegeben wurde (Münster, 2019).
Das im Zitat beschriebene Gefühl des „Nicht-Dazugehörens“ und der Unsicherheit erschien uns ein angemessener Ausgangspunkt, um über die Wechselwirkungen von Sprache und Kulturalität nachzudenken.
Das Ausstellungs- und Rechercheprojekt, das 2021 in der Galerie im Körnerpark Berlin seinen Anfang nahm, untersucht, inwieweit Kultur eine Kontextualisierung der Sprache ist und wie Sprache wiederum Kultur transformiert. Sprache ist nichts Festgeschriebenes, sie bewegt sich und produziert immer neue Bilder und Räume. Sie bietet die Möglichkeit, die Zwischenräume zwischen Menschen lebendig zu machen und neue Handlungsweisen zu eröffnen. Die Entstehung diverserer kultureller Kontexte in den Gesellschaften des 21. Jahrhunderts hat einen Transformationsprozess der sprachlichen Kommunikation in Gang gesetzt. Dieser findet allerdings nicht ohne langwierige Aushandlungsprozesse statt.
Die Ausstellung in der Fünfzigzwanzig, die um einige neue künstlerische Positionen erweitert wurde, präsentiert eine Vielzahl von Strategien und Methoden, mit denen Künstler:innen die unterschiedlichen Aspekte von Sprache erforschen. Ein gemeinsamer Nenner der beteiligten Künstler:innen ist die Auseinandersetzung mit den Machtstrukturen, die mit unterschiedlichen Sprachen einhergehen. Kultur und Sprache sind sehr eng miteinander verbunden. Wir lernen die sozialen und kulturellen Regeln von Gesellschaften vor allem durch Kommunikation. Die Art und Weise, wie wir eine Bitte formulieren oder nach dem Weg fragen, wird stark von den jeweiligen kulturellen Kontexten der einzelnen Communitys beeinflusst. Sprache ist dabei nicht nur irgendein Instrument kultureller Äußerungen, des sozialen Lebens oder der Politik, sondern die Bedingung dafür, dass sie überhaupt möglich sind.

Die Künstler:innen und Autor:innen untersuchen auf unterschiedliche Weise den spezifischen (politischen und/oder persönlichen) Sprachgebrauch, mit dem Macht ausgedrückt und ausgeübt wird. So wird das „Weggeschlossenen-Sein“ und die Unzugänglichkeit von historischen Narrativen – wie zum Beispiel die der Dalits – in den kolonialen Archiven Europas und der USA (Sajan Mani) thematisiert. Text und Sprache werden als Instrumente der sozialen Kontrolle identifiziert und die physiologischen und psychischen Effekte von Rassismus aufgezeigt (Anike Joyce Sadiq, Happy Akegbeleye & Petja Dimitrova). Die Künstler:innen befassen sich mit Medien des Austauschs, wie den nonverbalen Kommunikationsstrategien unter Frauen (Marisa Maza), oder der Hashtag-Verschlagwortung in Zusammenhang mit Selbstdarstellungsstrategien im Internet (Maria Anwander). Sie entwerfen und fordern eine Gegenerzählung, eine Praxis der Kontaminierung der Sprache, die Polyexpressivität (Essay: María do Mar Castro Varela) und hybride Sprachkulturen als gesetzte Lebensrealität (Moira Zoitl) wahrnimmt. Zudem fordern sie ein Recht auf Opazität/ Intransparenz, um migrantische Sehnsüchte und queere Strategien zu bewahren (Omar Kasmani) und wenden hörende Forschungsmethoden an in denen die Aufmerksamkeit in der Schwebe gehalten wird, um für auftauchende Themen und Affekte durchlässig zu bleiben (Ricarda Denzer). Die semantischen Bezeichnungen und Versuche, Bedeutungen festzulegen, werden durch die ausgewählten Kunstwerke und Texte infrage gestellt und Praxen des widerständischen Handelns performt und aufgezeigt (Lisl Ponger).

Auszug aus dem Ausstellungstext von Franziska Lesák, Marisa Maza und Moira Zoitl.

Ein Projekt von Kollektiv En-Commun (Marisa Maza, Moira Zoitl) & Franziska Lesák.