Vortrag

Polyexpressivität - Nachdenken über Sprache und Kommunikation

25. 10. 2024, 18.00 Uhr

Die Reinheit der Sprache ist ein Phantasma mit vielerlei Konsequenzen. Das Standarddeutsch beispielsweise war erst nur Schriftsprache, während das Konzept der Sprachenvarietät die Tatsache verdeckt, dass die Vielfalt und Bewegung von Sprachen natürlich, die Standardsprache als Gradmesser dagegen ein gewaltvoller Akt der Grenzziehung ist. Mehrsprachigkeit und das Zählen der Sprachen erinnert deswegen nicht zufällig an das koloniale mapping.
Translanguaging dagegen ist ein Konzept, welches beschreibt, dass und wie Sprecher:innen zur Kommunikation auf ein ganzes Repertoire von Ausdrucksmöglichkeiten (diverse Sprachen, Gesten, Mimiken etc.) zurückgreifen. Sie tun dies Ofeli Garcia und Li Wei zufolge immer strategisch und passen sich dabei differenten Situationen fluide an. Translanguaging weist auf die Listigkeit und Performativität von Kommunikationsverhalten. Heterolingualität, wie sie Naoki Sakai formuliert, sieht in der Übersetzung die gemeinsame Sprache der Zukunft. Die migrationspolitische Forderung nach Akzeptanz von Mehrsprachigkeit erscheint fade in Lichte der Überlegungen zu Translanguaging und Heterolingualität.
Im Vortrag wird für die Affirmation von Polyexpressivität plädiert. Sprache ist dann nicht nur das Zusammenspiel von stimmlich und/oder schriftlich artikulierten Worten, sondern der immer missglückende Versuch sich verständlich zu machen.

Prof. Dr. María do Mar Castro Varela (geb. in La Coruña) ist Diplom-Psychologin, Diplom-Pädagogin und promovierte Politikwissenschaftlerin und Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit mit Schwerpunkt Gender und Queer Studies an der Alice-Salomon-Hochschule. In der Lehre liegen ihre thematischen Schwerpunkte auf Rassismus und Migration, Kritische Theorie und Projektentwicklung. Ihre Forschungsinteressen konzentrieren sich auf Postcolonial Studies, Gender und Queer Studies, Critical Migration Studies, Holocaust Studies und Critical Media Praxis. Aktuelle Buchpublikation: Double Bind postkolonial: Kritische Perspektiven auf Kunst und Kulturelle Bildung, Bielefeld: transcript Verlag 2023 (zus. mit Leila Haghighat).