Lesung

Ratzingerfunktion

Thomas Meinecke

12. 12. 2006, 18.00 Uhr

Anschließend Dialog mit Barbara Vinken (Romanistin, Kulturwissenschaftlerin) und Diskussion mit den Theologen Hans-Joachim Sander und Gregor Hoff

Ort: HS 101, Theologische Fakultät

Eine Kooperation mit der Theologischen Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg

»Wir sind Papst!« verkündete der Boulevard am Tag nach der Wahl von Joseph Kardinal Ratzinger zum neuen Kirchenoberhaupt Benedikt XVI. Damit wurde nicht nur der neue Papst (wie schon sein Vorgänger) sofort zu einer Art Popstar stilisiert.

Was dabei weitgehend ausgespart blieb, waren – bei allen grundsätzlichen Widersprüchen - jene schier unglaublichen Berührungspunkte zwischen Ratzingers Texten und Theorien aus den avancierten Diskurs-Umfeldern zwischen Post-Strukturalismus, Zeichentheorie, Dekonstruktivismus, Feminismus und Queer-Studies.

Diese „Leerstelle“ von außen, d.h. mittels einer Art Querlesen von Ratzinger-Texten durch vor allem gendertheoretische Theoriebrillen, zu besetzen, war und ist das Experiment des im vergangenen Sommer in der edition suhrkamp erschienenen Bandes „Ratzinger-Funktion“.

Ausgehend von einem, vor der Papstwahl in den Münchner Kammerspielen im Rahmen der Reihe „Glaubenkriege“ 2005 uraufgeführten Monolog namens „Joseph Kardinal Ratzinger“ des Münchner Autors, Radio-DJs (Zündfunk) und Musikers (FSK) Thomas Meinecke, der sich selber als „popistischen Katholiken“ bezeichnet, führen im Band so unterschiedliche Autoren und Autorinnen wie Slavoj Zizek oder Barbara Vinken Meineckes Bastard-Philosophie als ebenso spannenden wie wild wuchernden Theorie-Mix weiter.

Und stellen dabei gleichermaßen kontroversielle wie provokante Fragen: Wie sind Priester gendertheoretisch kodiert wenn die katholische Kirche sich selber „als die Christus angetraute Braut“ definiert? Wie sollen Aussagen des Vatikans bewertet werden, nach denen Homosexuelle nun doch Priester werden können (also Homosexualität als sexuelle Orientierung gleichsam anerkannt wird), wenn sie – wie ihre heterosexuellen Kollegen – zölibatär leben? Haben sich nicht alle Revolutionen immer auch als primär männlich kodierter Kampf gegen einen verweichlichten, (ver)weiblichten und als „unnatürlich“ empfundenen Adel und Klerus verstanden? Was fasziniert uns so an „katholischen Amerikanern“ wie Andy Warhol und Martin Scorsese?

Im Rahmen dieser Veranstaltung wird Thomas Meinecke aus seinem Text vorlesen, der dann als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen fungiert. Zuerst mit der Literaturwissenschaftlerin und Herausgeberin des Sammelbandes „Dekonstruktiver Feminismus“ (1991) Barbara Vinken über gendertheoretische Implikationen und Anschlussmöglichkeiten, danach mit den in Salzburg lehrenden Theologen Gregor Hoff und Hans-Joachim Sander, bei der es sicherlich auch um die mitunter extrem großen Unterschiede zwischen katholischem Mainstream, Amtskirche und philosophisch-theologischen Diskursen gehen wird.