Ausstellung

trans/archive

Schleifen des Bedeutens

25. 09. - 31. 10. 2003

Eröffnung: Mittwoch, 24. 09. 2003, 19 Uhr

Monika Anselment, Bernhard Cella, Gerhard Dirmoser, Petra Egg, Thomas Feuerstein, Peter Haas, Lucas Horvath, Almut Rink, Isa Rosenberger, Friedrich Rücker, Wolfgang Wirth, Moira Zoitl

Kuratorin: Hildegard Fraueneder

Dem Archiv kommt in der gegenwärtigen philosophischen und kunsttheoretischen Diskussion eine besondere, von manchen geradezu als inflationär bezeichnete Aufmerksamkeit zu. Große Ausstellungsprojekte der vergangenen Jahre (Kunstraum Lüneburg, Haus der Kunst München,...) haben sich sowohl mit archivarischen Praktiken als auch mit einzelnen Aspekten des Begriffs „Archiv“ auseinandergesetzt. Das Zirkulative von Archiv und Gegenwart ist in der zeitgenössischen Kunstpraxis ein immer wiederkehrendes und spannend bleibendes Thema. Archive – private und öffentliche - stellen vielfach eine Arbeitsgrundlage oder Ausgangsbasis für Kunstproduktionen dar, insofern Archive ganz allgemein als Räume des Möglichen hinsichtlich seinen Potenzialitäten für Gegenwart gelten: Vergangenes, das sich fortwährend von den sich wandelnden Bezugsrahmen der Gegenwart neu organisieren lässt, de-semantisierte Zeichen, die im erneuten Lesen mit neuer Bedeutung aufgeladen werden.

Irit Rogoff’s Annahme, dass wir gewissermaßen alle in einer Art von Archiv leben, aus dem heraus wir uns die Welten, in denen wir uns befinden, vorstellen und verstehen, erlaubt eine über das konventionelle Verstehen des Archivs als real existierenden Ort der Selektion, des Sammelns, Registrierens und Klassifizierens von historischen Fakten und Ereignissen hinausgehende Sichtweise. Archive sind, so Michel Foucault, niemals passive Speicher, vielmehr selber aktiv, flüchtig und in permanentem Fluss. Archive produzieren Formationen und Transformation gleichzeitig, sie werden am Leben gehalten von der Illusion eines „verwertbaren und ständig zur Verfügung stehenden Besitzes“ ebenso wie von den (Un)-Heimlichkeiten, die sie zwangsläufig mitproduzieren.

Welche „Bilder“ im weitesten Sinne aktualisiert werden, mit welchen sie kontextualisiert und verknüpft werden und welches Wissen dabei generiert wird, ist eine der zentralen Fragen, die über grenzenlos scheinende Verfügbarkeiten durch neueste Speicher- und Übertragungstechnologien auch hinsichtlich des Umgehens mit Informationen eine neue Relevanz erhält.

Über eine künstlerische Verwendung von „found footage“ hinausgehend beschäftigen sich die für die Ausstellung ausgewählten Arbeiten mit den unterschiedlichen Rhetoriken des Faktischen einerseits, wobei dem Nicht-Vorhandenem, mithin der Ausblendung und dem Vergessen eine konstitutive Funktion zufällt, und mit dem Unbewussten andererseits: dem Archiv als Baustelle phantasmatischer Fiktionen. Geschichte und Erinnerung, die beide für die Bildung nationaler wie personaler Identitäten als Grund legend gelten, sind nicht als etwas bereits Gegebenes, sondern als permanente „Konstruktionen“ und Herstellungen zu sehen, die immer auch von strategischen Manipulationen signifikanter Elemente begleitet sind. Dennoch gibt es hierbei keine wie auch immer geartete freie - dem Sampling in der Musik vergleichbare - Modulierbarkeit, vielmehr sind Erinnerungs- und Geschichtsdiskurse davon beherrscht, dass die aktualisierten Elemente auf einen gegebenen früheren Kontext verweisen müssen, auch wenn sich dieser als lediglich fiktiver darstellt. In diesem Zwischenfeld der Gleichzeitigkeit von Gewesen und Präsent – dem past/perfect - bewegen sich auch die künstlerischen Arbeiten.

Hildegard Fraueneder