Foto: Nikolaus Kohlberger
„Egal was auf der Welt passiert. Jedes Jahr ist der Jedermann da.“, dieses ironisierende Wort Helmut Qualtingers ähnelt in seinem Ewigkeitsversprechen der Meisterschaftsgewissheit des FC Bayern München und seinem anspruchsvollen arkanen Gremium der Bosse. Alle möglichen und unmöglichen Beiträge über die Trikotfarbe der Buhlschaft und News über internationale Sponsorenverträge schwappen als Yellow Press der Salzburger Festspiele in die Boulevardberichterstattung über. In der jüngst erschienenen Wertschöpfungsanalyse der Wirtschaftskammer stellt der monetäre Rücklauf in die Landeskasse durch das Zauberwort „Qualitätstourismus“ die standortspezifische Bedeutung der Salzburger Festspiele dar: 16,3% der Befragten besuchen die Festspiele um „Freunde und Bekannte zu sehen“, 94,9% „aufgrund der kulturellen Qualität der Aufführungen“, heißt es.
Den Festspielen gelingt es dabei jedes Jahr neu und je nach Leitung immer verschieden eine Balance zwischen publikumsfreundlichen, leichten und transgressiven, schwierigen ästhetischen Setzungen zu programmieren. Ein Potpourri künstlerischer Fragestellungen bildet pro Saison ein breites Debattenrepertoire und viele wirkende widersprüchliche Kräfte mit den Mitteln der unterschiedlichen Bühnensparten ab und bringt damit immer neu, plötzlich und unverhofft Bewegung in die Kleinstadt. Das Festival mit seiner über hundertjährigen Geschichte ist heute ein „positiv und negativ identitätsbildender Faktor“(2) der Selbst- und Fremdbeschreibung Salzburgs, verändert den Aggregatzustand des Provinznestes im Sommer und regt mit der Sprengung der Kapazitätsgrenzen in den Cafés, Hotels und Restaurants unendlich viele spontane und unvorhersehbare Interaktionen/Irritationen an. Für ein paar Wochen schlüpft die Stadt in ein aufgeweckteres Kostüm und verwischt die Spuren normativer barocker Größe, stellt sich abenteuerlustig in den Weg internationaler Beziehungen.
Außerhalb dieser wiederkehrenden großen Zeit des Sommers, auf sich selbst reduziert, herrscht Postkartenidylle, die Trägheit des Dorfes und seine auswendigen Sozialbeziehungen gelten wieder mehr und ausgestreckte ästhetische Fühler ziehen sich wohlig zurück. Aber muss das so sein und welche Erwachsenenspielplätze könnten das sommerliche Versprechen des Aufbruchs dauerhaft in das städtische Gefüge einbringen?
(1) Siegfried Kracauer
(2) Norbert Christian Wolf
Moderation: Nikolaus Kohlberger, fünfzigzwanzig
Im Anschluss: DJ Low Profiler (Rare Grooves, Xotica & Stonewall Classics)
Foto: Nikolaus Kohlberger
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