Kooperation

Virtual Exhibition

Intangible Losses

DataPaulette, Yoon Chung Han, Young Suk Lee & Daniel Saakes, Sébastien Robert, Charlotte Triebus, Hyejun Youn

17. 02. 2021, 14.00 Uhr

Die TEI widmet sich seit Jahren der Präsentation der neuesten Ergebnisse im Bereich der Tangible, Embedded und Embodied Interaction. Was jedoch, wenn Interaktion zwischen dem Digitalen und dem physisch realen Raum nicht objekt- oder materialzentriert, sondern prozess- als auch beziehungsorientiert gedacht wird: Mit wem/was und vor allem wie treten wir eigentlich in Interaktion? Und was gewinnen oder verlieren wir durch einen prozessorientierten Fokus? Die Ausstellung “Intangible Losses“ bemüht sich hier um einen Perspektivenwechsel in der Auseinandersetzung mit unsichtbaren Formen der Interaktion und Kommunikation.

Es war im Jahr 2016 als die Ars Electronica Linz mit den Möglichkeiten eines Festivals das Thema “Radical Atoms and the alchemists of our time” untersuchte. Sie stellte jene Persönlichkeiten vor, die wie Alchemist*innen unserer Zeit neue Formen von Interfaces schaffen, denn: Es sind die Künstler*innen, Wissenschafter*innen und Technolog*innen, die das unberührbare Digitale mit unserer physischen Realität zu verbinden versuchen. Eine herausragende Person nimmt hier mitsamt seiner Gruppe eine besondere Position ein: Hiroshi Ishii und seine Tangible Media Group am MIT Media Lab. Er war es, der den Begriff “Radical Atoms” in Bezug zu Entwicklungen von Interfaces an der Raumgrenze des menschlichen Körpers und dem digitalen Raum sieht. Er schreibt: “Radical Atoms is our vision of human interaction with future dynamic materials that are computationally reconfigurable.” Ishii und sein Team erklären weiters: “To overcome this limitation of frozen atoms in Tangible Bits, we envisioned Radical Atoms to bring atoms to life through their dynamic physical manifestation - malleable and computationally transformable.”

Das Besondere, das man Ishii und seinem Team hier zuschreiben kann, ist das Denken in Dynamiken. Flexible Materialien an der Grenze zwischen Körper und dem digitalen Raum verändern sich fortwährend. Aufgrund Vorbildwirkung aus der Natur werden natürliche Prozesse in synthetische Prozesse meist mittels minimalen Inputs aus der Umwelt oder dem Umfeld in Gang gesetzt. Das herkömmliche Verständnis von Human-Computer Interaction wurde von Ishii somit um eine wichtige Komponente erweitert, nämlich jener der bereits erwähnten “dynamische Materialien”.

Auch wenn Ishii hier ein Meilenstein gelungen ist, wird weiterhin die Grenze bzw. das Interface – wenn auch dynamisch – als Grenze thematisiert. Sieht man sich jedoch die neuesten Arbeiten und Präsentationen der jungen künstlerischen Generation an, der aufstrebenden Designer*innen und kreativen Wissenschaftler*innen, die bei TEI ihre Arbeiten einreichten, so erkannten wir als Jury eine Besonderheit, die die Objekthaftigkeit des Interfaces und seine bisherigen Zuschreibungen mehr und mehr verlässt und Interaktivität und Kommunikation in einem größeren Zusammenhang erkennen lässt, nämlich dem des beziehungsbeschreibenden Prozesses. Es geht nicht mehr nur darum, dass Objekte geschaffen werden, die möglicherweise als Hilfestellung oder Sprungbrett in eine Welt der Bits and Bites dienen, nein, die Grenze liegt nun ganz an einer anderen Stelle und die Welt selbst wird zum Interface. IoT (Internet of Things) wäre hier zu kurz gegriffen, da es ja weniger um die Dinge oder Objekte selbst geht als um die prozessual verbundenen Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Umwelt, Menschen und der Natur bzw. Phänomenen der Naturwissenschaften. Die AutorInnen reflektieren somit Prozesse, die in Zeiten von Klimawandel, einer kulturellen und sozialen Transformation unserer Welt und einer Pandemie, die uns den Atem nimmt, genährt werden.

Die Ausstellung INTANGIBLE LOSSES hinterfragt die Auflösung der objekthaften Interfaces und präsentiert die aktuellen Tendenzen aufstrebender Künstler*innen, Wissenschafter*innen und Technolog*innen, die Interfaces an der Grenze zu Kunst, Design, den Wissenschaften und der Technologie neu denken. Tangible/Intangible Interfaces, Embedded/Non-embedded Interfaces oder Embodied/Disembodied Interfaces liegen dabei nicht mehr im zentralen Fokus, da es sich hier vor allem um Zuschreibungen handelt, die sich auf Körper zurückführen lassen. Was jedoch, wenn Körper sich auflösen? Wenn wir beginnen Gedanken ohne Körper zu verstehen? Der Körper als Prothese für den Geist? Die Ausstellung “Intangible Losses“ bemüht sich um einen Perspektivenwechsel in der Auseinandersetzung mit unsichtbaren Formen der Interaktion und Kommunikation und versteht diese als soziale Handlung der Teilnahme und des Austausches von Information.

“Obwohl es vielleicht kein Außerhalb gibt, das wir kennen können, gibt es eine Grenze.”
(Nancy Katherine Hayles 1993)

„Unser Körper hört, ruft und erinnert sich. Bakterien, Algen, Pilze, Pflanzen und Tiere geben gleichfalls ihre Anwesenheit zu erkennen und nehmen die Umwelt wahr, jedes auf seine Weise; kein Organismus kann ohne Austausch von Energie überleben, aber auch nicht ohne Austausch von Information. Schon vor dem Menschen kennzeichnet Kommunikation das Lebendige als offenes System...“ (Michel Serres, 2002)

Kuratorisches Statement von: Bernhard Maurer, Manuela Naveau, Karolina Radenkovic